Kennst Du das?
…wenn Dir schon am frühen Morgen die Gedanken daran, was Du heute alles TUN MUSST, die Laune verderben? Du fühlst bereits beim Aufstehen den Zeitdruck des ganzen Tages?
Das MUSS nicht sein 😉. Lies hier, wie dieses „Ich-muss-Denken“ Dich und Dein Umfeld krank macht und wie Du es durch eine gesündere und hilfreichere Alternative ersetzen kannst!
Der Artikel enthält HINTERGRÜNDE, BEISPIELE und eine ausführliche ÜBUNG für eine nachhaltige Veränderung in Deinem Alltag.
Außerdem gibt es am Ende noch TIPPS zur Verstärkung und TIPPS für den Umgang mit Kindern!
Wie oft am Tag denkst und sagst du: „Ich MUSS…“?
…oder nutzt dies als Begründung, warum du etwas anders nicht tust? Z.B.: „Ich kann leider nicht mitkommen, ich MUSS noch…“
Allein der Gedanke an all die Dinge, die wir vermeintlich tun MÜSSEN, kann uns ganz schön aus der Fassung bringen.
Ich kann mich an Tage in meinem Leben erinnern, an denen ich morgens schon wusste: Ich MUSS Frühstück für die Kids machen, dann MUSS ich zur Arbeit und unterwegs noch den Handwerker anrufen. Ich MUSS heute direkt nach der Arbeit (vielleicht etwas früher), Sohn X vom Handball abholen, dann MÜSSEN wir noch schnell einkaufen …muss, muss, muss…!
Ich stand schon morgens unter enormem Druck, den ich mir selbst durch meine Gedanken produziert hatte, noch bevor der Tag so richtig begann…
Das kann man so machen…..MUSS man aber nicht 😉 und ich rate dringend davon ab, denn…
Welche Wirkung hat dieses „Ich muss-Denken“?
- Es produziert ein anhaltendes Gefühl von Zeitdruck und Stress, selbst wenn mal nichts zu tun ist. Und das zehrt auf Dauer wirklich an unseren Kräften.
- Wer alles, was er tut, tun MUSS, verliert das Gefühl von Selbstbestimmtheit.
Wir bringen uns damit selber in eine Opferrolle. - Wir sind passiv und „nur noch als Mitspieler“ in unserem Leben beteiligt, denn jemand oder etwas anderes bestimmt offensichtlich über uns.
Dieser Zustand macht auf Dauer krank – das kann von Dauer-erkältet über diverse Schmerzen bis hin zum Burn-Out führen – Und es raubt uns das Selbstvertrauen, was in eine Abwärtsspirale führt. Denn mit wenig Selbstvertrauen, glauben wir auch immer weniger, dass wir selbst etwas an unseren „Alltags-Zwängen“ ändern können.
Was noch viel schlimmer ist, ist, dass wir unbewusst, den entstehenden Frust und Unzufriedenheit über unsere Situation an unseren Mitmenschen auslassen. Jedoch nicht an irgendjemandem…Nein. Oft genau an den Menschen, die wir am meisten lieben!
Und ihr könnt euch vorstellen, dass das auf Dauer die Situation nicht besser macht!
Die Frage, die mir die Wende brachte…
Als mir eines Tages mal wieder alles zu viel war, telefonierte ich mit einer guten Freundin und klagte ihr mein Leid.
Sie (kinderlos und Single) fragte mich: „MUSST du das denn WIRKLICH alles tun? Lass doch jemand anders Deinen Sohn abholen und muss der Handwerkeranruf auch unbedingt heute sein?“Zunächst war ich etwas empört und hatte den Drang mich zu rechtfertigen…doch dann versuchte ich die Frage zu beantworten und sagte: Ja, klar, ich könnte die Abholung meines Sohnes anders organisieren, aber ich finde es immer schön, diese halbe Stunde mit ihm im Auto zu verbringen. Wir kommen dann meist ungezwungen ins Gespräch und können uns mal entspannt austauschen. Diese gemeinsame Zeit ist mir wichtig.
Nun zum Handwerker. Ohne Licht/Strom fühle ich mich in meinem Wohnzimmer nicht wirklich wohl. Und das ist der Ort, wo ich heute Abend entspannen möchte… Also JA, ich möchte den Handwerker auf jeden Fall heute anrufen.
WAS WAR PASSIERT?
Als mir das auf diese Weise klar wurde, spürte ich nicht mehr so viel Druck wie vor dem Anruf, denn ich merkte, dass ich diese Dinge gar nicht tun MUSSTE, sondern, dass ich sie tat, WEIL- ich sie tun WOLLTE oder
- mir das Ergebnis wichtig war
- und vor allem, weil ICH MICH dafür entschieden hatte, das zu tun!
Ich überlegte mir von da an jedes MUSS sehr genau und stellte fest, dass es sehr wenige Dinge gab, zu denen ich WIRKLICH gezwungen war!
Ich ersetzte MUSS durch MÖCHTE. Meistens passte das. Wenn es überhaupt nicht passte, überlegte ich mir, warum ich das dann eigentlich tat. Manchmal ließ ich bestimmte Dinge tatsächlich sein oder ich fand einen Grund, warum ich mich dennoch entschied es weiter zu tun.
Aber auch das war nun (m)eine bewusste Entscheidung!
Welche Wirkung hat das “Ich-entscheide-selbst-Denken”?
- Wenn Du Dich aus einem bestimmten Grund bewusst für etwas entscheidest, verringert das massiv das Gefühl, unter Zeitdruck zu stehen und sich gehetzt zu fühlen.
- Durch das bewusste Entscheiden, wächst das Gefühl von Selbstwirksamkeit und Handlungsfähigkeit. Gleichzeitig öffnet sich unser Geist für Alternativen, dort wo vorher eine Art Einbahnstraße war.
- Dein Selbstvertrauen wächst und Du bist aktiv und wirst vom Mitspieler zum Kapitän in deinem Leben.
In diesem Zustand, behältst Du das Steuer in der Hand und hast folglich auch weniger den Drang, genervt auf andere Menschen oder Situationen zu reagieren.
Die Resonanz, die du bekommen wirst, wenn Du selbst gelassener bist, fördert ein gutes und entspanntes Miteinander – natürlich NUR, wenn DU Dich dafür entscheidest 😊.
Möchtest Du es ausprobieren? Dann lade ich dich zu folgendem Experiment ein.
Selbst-Experiment: vom MUSS zum MÖCHTE und zu mehr Selbstbestimmung
Hauptübung zum Schnellstart:
- Nimm Dir 15 Minuten Zeit, Papier & Stift (wenn Du farbige Stifte zur Hand hast, am besten einen roten und einen grünen)
- Schreibe Dir jetzt einen typischen „Ich muss – Satz“, der Dir jetzt gerade am meisten Druck bereitet, in ROT auf.
- Nun lies den Satz nochmal laut vor, fühle Dich ein paar Sekunden ein, als ob Du das JETZT tun MÜSSTEST und achte darauf, was es bei dir auslöst und wie Du Dich fühlst. Auf einer Skala von 1-10 (1 = extrem gestresst, 10 = bestens), wie würdest Du Deinen Zustand beschreiben?
> Schreibe die Ziffer in ROT unter den Satz und wenn Du magst, schreib Dir dazu, wie Du Dich gerade fühlst, z.B. ich fühle mich gestresst, ich möchte schreien oder ich habe eine trockene Kehle oder Druck im Bauch oder Herzrasen,…. - Steh kurz auf, dreh Dich einmal um dich selbst und zähle langsam bis 5, damit Du aus dem Gefühl wieder rauskommst.
- Schreibe nun darunter in GRÜN, denselben Satz, aber diesmal ersetzt Du MUSS mit MÖCHTE.
- Prüfe, ob dieser Satz für Dich immernoch Sinn macht.
- Wenn JA,
…super!! Dann fühle Dich JETZT in die „neue“ Situation ein. Sprich dazu den „Möchte-Satz“ laut aus und schaue, wie es dir dabei geht. Hat sich etwas an deinen Gefühlen verändert? Und wie schaut es auf der Skala aus?
>>Schreibe die Ziffer in GRÜN unter den Satz und wenn Du magst, schreib Dir dazu, wie Du Dich gerade fühlst, z.B. leichte Anspannung, aktiv, Tatendrang, vielleicht sogar motiviert…
Es kann auch sein, dass es sich am Anfang nur ganz minimal unterscheidet, das ist nicht außergewöhnlich – selbst wenn Du nur eine Ziffer auf der Skala nach oben rutschst, hat sich etwas bewegt und diese Bewegung hält an, wenn Du weiter auf die Dinge achtest. Versprochen 😉!
Wenn NEIN,
…also, wenn das gar nicht passt und Du das tatsächlich NICHT tun MÖCHTEST, frage dich sehr kritisch folgendes:
- MUSS ich das wirklich tun?
- MUSS ich es genau SO tun? …oder gibt es eine andere Art, die mir besser bekommt?
- WARUM tue ich es eigentlich? Schreibe gute Gründe und Vorteile auf, warum Du das tust.
- Gibt es evtl. Alternativen, die zu denselben Vorteilen führen oder bei denen Du ein ähnliches Ergebnis erzielst.
Nun gibt es verschiedene Möglichkeiten
1) Dir wird klar, dass Du das nicht weiter tun willst und wirst. Wunderbar!
>> Der MUSS-Satz entfällt komplett. Nun schau, wie Du Dich damit fühlst (wie oben beschrieben, Ziffer auf der Skala und dein Gefühl dazu).
2) Du findest eine Alternative, die Du tun MÖCHTEST. Wunderbar!
>> Formuliere einen passenden „Ich-möchte-Satz“ und schau, wie Du Dich damit fühlst (wie oben beschrieben, Ziffer auf der Skala und dein Gefühl dazu).
3) Du stellst fest, Du „musst“ das wirklich tun und hast nun einige Vorteile in der Tätigkeit gefunden oder einige wichtige Gründe, warum Du damit weitermachen solltest.
>> Du kannst nun den Satz NEUTRAL formulieren.
Schreibe also „Ich TUE xxx“, WEIL mir ….diese und jenes Ergebnis wichtig ist…oder, weil ich diesen Anteil der Tätigkeit sehr mag…Eben Deine Gründe und/oder Vorteile.
Dann schau, wie Du dich nach Deiner bewussten Entscheidung für diese Tätigkeit damit fühlst (wie oben beschrieben, Ziffer auf der Skala und dein Gefühl dazu).
4) Falls Du kurzfristig noch nichts ändern kannst, Dir aber langfristig dazu Alternativen eingefallen sind, kannst Du parallel zu Deiner bewussten Entscheidung, einen ersten Schritt Richtung Alternativen machen…
>> Das eröffnet Dir Handlungsalternativen und steigert Dein Gefühl der Beweglichkeit und des Steuerns Deiner Möglichkeiten. Schau, wie Du dich mit diesen Alternativen fühlst (wie oben beschrieben, Ziffer auf der Skala und dein Gefühl dazu).
Wenn Du die Übung einmal gemacht hast:
GRATULIERE DIR! Du hast einen Aspekt Deines Lebens, der Dir Druck bereitet hat, erfolgreich in Bewegung gebracht. Du hast bewusst und aktiv Zeit für eine positive Veränderung investiert!
UND JETZT?
Du könntest z.B. jeden Tag eine Viertelstunde für weitere „Ich-muss-Sätze“ verwenden und so Deine Situation weiter umgestalten.
Wenn Du es noch nachhaltiger verankern willst, macht es Sinn die folgenden Schritte ebenfalls noch zu beachten >>
Nachhaltige Ergebnisse durch Verankerung im Alltag
Die ersten Tage:
- Achte einen oder mehrere Tage lang darauf, wie oft und in welchen Situationen du denkst und/oder sagst, dass du etwas tun MUSST…und schreib es dir am besten zwischendurch schnell auf! (Notiz auf dem Smartphone tut’s auch 😉)
Du hast dann am Ende eine Liste mit verschiedenen Punkten, die Dir im Alltag Stress bereiten, weil Du sie tun MUSST. Die Liste kannst Du nach Bedarf ergänzen. - Wenn Du soweit bist und einige Punkte zusammen hast, nimmst Du Dir eine Stunde Zeit und machst die „Hauptübung zum Schnellstart“ –wie im oberen Teil beschrieben- für die drei wichtigsten deiner MUSS-Sätze.
Du kannst natürlich je nach Zeit variieren, ob du Dir erstmal nur einen Satz oder drei oder gleich alle vornimmst. Ein Satz ist immer besser als gar keiner! - Mache das einige Tage hintereinander, bis Du die wichtigsten Punkte aus Deiner Liste bewusst „umgeschrieben“ hast.
>> Nun hast du eine Liste von Dingen, die du tust oder sogar tun möchtest, weil du dich bewusst dafür entschieden hast!
Die nächsten Tage
- Probiere deine „Möchte-Aussagen“ im Alltag aus und achte darauf, sie so wie beschrieben zu denken und auch zu formulieren. D.h. wenn Du Dich ertappst, dass Du einer Kollegin erzählst, was Du tun MUSST, formuliere es um oder bemerke es zumindest und achte beim nächsten Mal darauf.
- Achte auch auf dein Gefühl dazu und was sich evtl. für dich ändert.
Danach…
- Bleibe dran und prüfe weiterhin Denkmuster, in denen du scheinbar etwas tun MUSST (also dich zu etwas gezwungen fühlst) mit den Fragen aus der “Hauptübung zum Schnellstart”.
Du brauchst nicht immer alles aufschreiben, wenn du das Denkmuster einmal übernommen hast, …aber am Anfang und manchmal auch bei größeren Themen hilft es.
- Sei weiterhin aufmerksam und achte auf Veränderungen in deinem Gefühl und Verhalten, wenn du ab heute nur noch nach deinen bewussten Entscheidungen lebst.
Und wie bei all diesen Experimenten: Nicht zu ernst nehmen! Es ist nicht schlimm, wenn Dir nicht gleich jedes „Muss“ auffällt. Und wenn es ein „harmloses Muss“ ist, das Dir keinen Stress bereitet, ist es ja auch nicht weiter schlimm.
Sieh es als Spiel, bei dem Du mit jedem Möchte statt Muss einen Lebensfreude-Bonuspunkt bekommst. Wenn Du automatisch kein Muss mehr benutzt, kommst Du ins nächste Level 😊!
TIPP zur Verstärkung:
Wenn Du es mit einer Freundin oder Partner zusammen übst, könntet ihr euch wirklich Pluspunkte für eure Erfolge vergeben und wenn ihr gemeinsam 50 Punkte habt, geht ihr zusammen essen oder so…
Ihr könnte euch dann auch gegenseitig erinnern oder aufmerksam machen, wenn ihr wieder ins MUSS verfallt.
TIPP für den UMGANG mit Kindern:
So wie uns das „Ich muss“ unter Druck setzt, könnt ihr euch vorstellen, wie es bei euren Kindern ankommt, wenn sie sich das nicht mal selber sagen, sondern es wirklich von außen „aufgedrückt“ bekommen.
Manchmal nicht verwunderlich, wenn sie in eine störrische Haltung verfallen und sich verweigern oder wenn sie sich klein fühlen und an Selbstwert verlieren.
Auch hier, können wir darauf achten, dass wir Kindern eine (natürlich altersgerecht eingeschränkte!) Wahl lassen, wann oder wie sie etwas tun, das sie tun „müssen“.
So nehmen wir den Zwang von außen weg und unterstützen sie trotzdem darin, sich an ihre eigene Entscheidung zu halten. Wenn SIE sich dann dafür entschieden haben, können wir sie auch dezent daran erinnern, dass sie das noch tun wollten – falls sie es vergessen .
Beispiele..
Thema: Zeit für Hausaufgaben (HA):
Statt festzulegen, „Du machst jeden Tag direkt nach der Schule die HA“, könnten wir die Zeit vorschlagen und fragen, ob unserem Kind diese Zeit auch passt.
Wenn ja, super! Ansonsten können wir nach seinen Gründen fragen und zu welcher Zeit es ihm am besten passt.
Z.B. entscheidet das Kind „Direkt nach der Schule bin ich zu kaputt und möchte erstmal ausruhen, ich mache meine Hausaufgaben immer abends nach dem Handball“.
Dann hat es dies selbst entschieden und wird sich eher daran halten, als wenn es das Gefühl hat, es muss eine Zeit einhalten, die jemand anders für es entscheiden hat.
Thema: Mithelfen im Haushalt
Statt zu sagen, alle müssen im Haushalt mithelfen und festzulegen, „DU bringst jeden Tag den Müll runter“, könnten wir eine Liste aller Haushaltsarbeiten machen, die die jeweiligen Kinder erledigen können (altersgerecht). Dann darf sich jeder etwas aussuchen. Z.B. „Ich suche mir als Hausarbeit das Staubsaugen aus (was 3x die Woche gemacht werden soll) und ich mache das Mo, Mi und Freitag…“
Da unsere Kinder erst dabei sind, ihr Selbstvertrauen aufzubauen, ist es ungeheuer wichtig für ihre Entwicklung, ihnen ein Gefühl der Selbstwirksamkeit zu vermitteln und das geht nur mit echten Aufgaben und eigenen Entscheidungen, die dann aber auch eingefordert werden dürfen.
Ich freue mich sehr über geteilte Erfahrungen und falls etwas nicht auf Deinen konkreten Fall passt oder Dir unklar ist, sprich mich gerne an!
Herzlich, Indrani